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Von der Wildnis und dicken Kanonen

  • projektlt28
  • 25. Juli 2022
  • 5 Min. Lesezeit

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Auf unserem Weg durch Norwegen finden wir immer wieder, auch durch Zufall, wunderschöne Spots zum stehen. Aber auch über die gängigen Apps gibt es den ein oder anderen schönen Stellplatz und so haben wir in Park4Night einen schönen Platz

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gefunden. Die Anreise dort hin war sehr spannend, es ging eine knappe halbe Stunde über Schotterwege in die Wildnis hinein. Aus dichtem Tannenwald wurde mit jedem Höhenmeter den wir überwinden eine Mischung aus Buschwerk und zum Schluss nur noch Flechten und Moos. Wir haben unseren LT auf einer Steinplatte abgestellt, mit der Nase in Richtung Tal. Das war mitunter der schönste und einsamste Stellplatz, den wir jemals hatten. Nur etwa alle zwei Stunden verirrte sich ein Wanderer (meist Norweger) mit dem Auto hier hoch, um dann auf dem noch weiter oben befindlichen Parkplatz zu parken. Ansonsten war hier absolute Ruhe. An unserem Spot floss noch einiges an Schmelzwasser ab, und so hatte auch Eddy einen riesen Spaß in den kleinen und großen Bächlein herumzuhüpfen. Unsere kleine Schnüffelnase hat natürlich auch direkt einen großen Knochen (vermutlich von einem Elch) gefunden, an dem er dann genüsslich Nagen durfte. Am zweiten Tag unternahmen wir eine kleine Wanderung an den nahegelegenen Wasserfall der von Schnee und Eis gesäumt war. Wunderschön diese Landschaft, auch wenn das Wetter nicht das beste war. Nach der Wanderung ging für uns die Reise dann weiter, wir wollten eigentlich zu einem weiteren Wasserfall weiter unten im Tal, leider konnten wir keinen Weg dorthin finden, nicht einmal ein Trampelpfad. Also wieder zurück auf die Straße nach knappen 2 Tagen ohne Handynetz erreichen uns auch die ersten leicht sorgenerfüllten Nachrichten unserer Eltern, ob denn alles in Ordnung sei, man hört nichts mehr von uns. Beim nächsten mal melden wir uns wohl besser ab, nicht dass unser nächster Ausflug mit einer Rettungsaktion der norwegischen Bergwacht endet. Nachdem alle beruhigt wurden, verschlug es uns weiter entlang der wunderschönen Fjorde. Grob wurde die Stadt Trondheim angesteuert, doch bevor es in die Stadt selbst ging wollten wir noch ein besonders Imposantes stück der deutschen Marine anschauen. Es geht also in Richtung Austrattborgen, ein Ort, der in der Einfahrt des Trondheimfjords liegt. Trondheim hatte damals eine nicht kleine Zahl an deutschen Marineeinheiten, darunter auch einen U-Boot Hafen. Diesen galt es vor Invasoren zu schützen und nachdem das Schlachtschiff "Gneisenau" bei Reparaturen im Dock von einem britischen Luftangriff schwer beschädigt wurde, entschied sich die Marine dazu, das Schiff abzuwracken und die Geschütze inklusive Zielvisierung zu Küstenbatterien umzufunktionieren. So entstand das Fort Austrattborgen.

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Gut versteckt, auf einem dicht bewachsenen Hügel, wurde der hintere Geschützturm der Gneisenau in einen dafür gegossenen Bunker eingesetzt. Nach ca. 2 Stunden fahrt kamen wir dort an, von einem Geschütz war aber tatsächlich nichts zu entdecken. Wir bereiteten noch unser Abendessen vor (Lasagne) und machten uns dann bei

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Sonnenschein auf den Weg nach oben. Nach knapp einer Woche Regen und größtenteils im Wohnmobil sitzen tat das richtig gut. Auf dem Weg nach oben kam begrüßte uns nach einer knackigen Kurve schon der erste Bunker, eine 7,5 cm Pak-Stellung mit MG Deckung. Auch diverse Panzersperren verhinderten das Ausbrechen zu den Seiten, definitiv tödlich diese Engstelle. Nach einer weiteren Kurve bergauf kam dann auch schon das gewaltige Geschütz zum Vorschein. Es war in perfektem Zustand und wir konnten noch einige Details begutachten bevor unsere gebuchte Führung losging. Um 14 Uhr ging es dann los und zu unserem Glück spricht der Guide auch noch deutsch. So gab es die Infos erst auf Norwegisch (der Großteil der Besucher waren Norweger) und danach speziell für uns in Deutsch. Die Führung startete an dem nochmals versteckten und speziell gesicherten Eingang etwa 20 Meter unter uns. Zu Fuß ging es durchs Gestrüpp und einige Treppen hinunter. Auch dieser Zugang war nochmals durch ein 4,7 cm

Geschütz (vermutlich französische Beutewaffe) gesichert. Durch den Nebeneingang ging es hinein in die mehrstöckige Bunkeranlage, die auch gleichzeitig als Kaserne für die 125 Mann Besatzung diente. Die Führung begann im E-Raum, da in Norwegen damals nicht genug Strom zur verfügung Stand für solch große Anlagen, wurden hier 4 Notstromaggregate von Siemens verbaut. Es gab zwei riesige Motoren (Tim vermutet alte U-Boot Motoren) und 2 Kleine für den Lichtstrom. Es roch nach Diesel und Öl, und auf Nachfrage wurde bestätigt, dass die Motoren etwa 4 Mal im Jahr gestartet werden um Schäden zu vermeiden. Es war auch überall noch die original Beschriftung erhalten und nichts fehlte. Als nächstes ging es durch die Räumlichkeiten der Soldaten und Offiziere, die in einem super Originalzustand waren.

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Es sind sogar noch die originalen Klappbetten verbaut. Auch ging es zu den Latrinen, hier wurde uns vom Guide mitgeteilt, dass die deutschen hier die ersten wassergespülten Klos in ganz Norwegen verbauten. Ebenso gab es hier den ersten elektrischen Warmwasserboiler Norwegens, die deutschen Besatzer haben quasi die sanitären Einrichtungen Norwegens revolutioniert und stark geprägt.

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Hier waren auch noch die original Kloschüsseln von 1943 verbaut. Eine riesige Zeitkapsel. Aber wir waren nicht hier um Kloschüsseln und Waschbecken anzuschauen, also ging es recht flott durch die Schlafquartiere (in denen übrigens nie jemand schlief, es war viel zu Feucht und die Luft zu schlecht unter Tage trotz der immensen Belüftungsanlage) in Richtung Geschützturm. Wir kamen auf Stockwerk fünf in die Geschossvorbereitung. Hier wurden die Granaten vorbereitet, bevor sie in den Ladeautomaten und dessen Aufzüge verbracht wurden. Hier erwartete uns bereits ein Stapel der verschiedenen Munitionstypen, welch gigantische Geschosse. Jedes etwa 320 KG schwer, konnte ca. 40 km weit geschossen werden. Von hier aus konnte also auch nach Trondheim geschossen werden. Verrückt diese Distanzen. Auch hier waren alle Knöpfe und Regler noch original und deutsch beschriftet und in unglaublich gutem Zustand. Sogar die Telefonanlage von 1939 von Siemens hing noch im Raum. Als wäre die deutsche Marine gestern erst abgerückt. Auch haben wir durch den Guide viele tolle Details zu den Arbeitsabläufen hier erfahren. Weiter ging es auf Stockwerk 4 , dem wohl gefährlichsten Raum im Turm. Hier wurden die Pulverkartuschen gelagert und nur ein Funke hätte hier für ein Inferno gereicht. Entsprechend gab es keine elektrische Unterstützung beim heben der Kartuschen (ca. 70 kg) und auf jegliches Metall wurde verzichtet, zumindest wo es ging. Alles andere wurde extrem eingeölt und gefettet oder aus Messing hergestellt, um so Funkenflug zu vermeiden. Auch hier gab es einen Zugang zum Ladeautomat, in dem die Kartuschen nach Vorbereitung zugeführt wurden.

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Von der Pulveretage ging es durch eine schmale Aufstiegsleiter in die nächste Etage, der Techniketage. Hier wurden die kompletten Betriebsdrücke der hydraulischen Anlage des Turms überwacht und gesteuert. Bei Ausfall der Hydraulik gab es auch eine Notkurbel zum Ausrichten des 180 Tonnen Turms. Humor hatte man also doch noch im deutschen Reich. Danach ging es zum hinauf zu den eigentlichen Geschützen. Dort kam die ganze Technik zusammen, ein Wirrwarr aus Schaltern und Knöpfen und deutschen Beschriftungen und vor allem großen Hydraulikanlagen, die beim beladen der gigantischen Kanone helfen. Im Einsatz waren in diesem Turm ca. 25 Mann damit beschäftigt, die Kanonen mit neuer Munition zu füttern. Auf Nachfrage wurde bestätigt, dass die Kanone das letzte Mal 1953 geschossen wurde und die deutsche Besatzung erst Mitte 1946 nach hause geschickt wurde. Sie musste den Norwegern Schritt für Schritt erklären, wie das Geschütz funktionierte und auch gewartet wurde. Daher wurde sämtliche deutsche Beschriftung behalten und nicht auf Norwegisch übersetzt. Wer das ganze jetzt selbst erfahren möchte, Tickets kosten 13 Euro pro Person mit Führung auf Englisch bzw. Deutsch. Nach knapp eineinhalb Stunden ging es wieder zurück zu Eddy und auf die Suche nach einem neuen Stellplatz.


 
 
 

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